Anleitung: Warum dein Gehirn "Timing" will, aber "Cost Average" braucht
Jeder Investor träumt davon: Am tiefsten Punkt kaufen, am höchsten Punkt verkaufen. Die Realität sieht anders aus. Die meisten Privatanleger kaufen, wenn die Nachrichten euphorisch sind (teuer), und verkaufen, wenn die Welt untergeht (billig). Das vernichtet Kapital.
Dieser Rechner und der dahinterliegende Algorithmus simulieren die Strategie des Dollar Cost Averaging (DCA) bzw. des klassischen ETF-Sparplans. Statt zu versuchen, den Markt zu timen, nutzen wir die Mathematik der Durchschnittsbildung zu unserem Vorteil.
1. Die Variablen verstehen
- Monatliche Sparrate: Der Betrag, der stur und automatisiert investiert wird. Egal ob Krieg, Inflation oder Boom.
- Anlagedauer: Der Cost-Average-Effekt braucht Zeit. Über wenige Monate ist er Zufall, über Jahre hinweg eine statistische Glättung.
- Volatilität (Schwankung): Viele Rechner fragen nach der Rendite (z.B. 7%). Das ist langweilig. Entscheidend ist, wie stark der Kurs auf dem Weg dahin zappelt. Je höher die Volatilität, desto stärker wirkt der Cost-Average-Effekt zu deinen Gunsten (wenn der Trend langfristig nach oben zeigt).
Der mathematische Beweis: Harmonisches vs. Arithmetisches Mittel
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Warum zahlen Sparplan-Anleger oft weniger als den durchschnittlichen Börsenkurs? Die Antwort liegt in der Ungleichung vom arithmetischen und harmonischen Mittel.
Die Formel für den Durchschnittspreis
Wenn du jeden Monat für einen festen Betrag $K$ (z.B. 100€) Anteile kaufst, erhältst du bei einem Kurs von $p_i$ genau $rac{K}{p_i}$ Anteile.
Der durchschnittliche Kaufpreis $ar{p}_{kauf}$ berechnet sich nicht als simpler Durchschnitt der Kurse, sondern als Harmonisches Mittel der Kurse gewichtet an der Anzahl der Perioden $n$.
Im Vergleich dazu steht der einfache Durchschnittskurs der Börse (Arithmetisches Mittel), den ein Beobachter sehen würde:
Die mathematische Garantie:
Solange die Kurse nicht jeden Monat absolut identisch sind (Varianz > 0), gilt mathematisch immer:
$$ ar{p}_{kauf} < ar{p}_{zeit} $$
Das bedeutet: Du kaufst im Durchschnitt immer günstiger ein als der durchschnittliche Börsenkurs über diesen Zeitraum war. Du schlägst den Marktpreis rein mechanisch durch die Struktur deines Kaufs.
Ein drastisches Rechenbeispiel
Lass uns das Extrem simulieren, um es zu verstehen:
| Monat | Sparrate | Kurs | Gekaufte Anteile |
|---|---|---|---|
| 1 | 100 € | 100 € | 1,00 |
| 2 (Crash) | 100 € | 20 € | 5,00 |
| 3 (Erholung) | 100 € | 100 € | 1,00 |
Analyse:
• Der Kurs war am Anfang bei 100€ und am Ende bei 100€. Ein "Buy and Hold" Anleger (Einmalanlage) hätte 0% Rendite.
• Durchschnittlicher Börsenkurs: (100+20+100)/3 = 73,33€.
• Dein Durchschnittspreis: Du hast insgesamt 300€ investiert und dafür 7 Anteile erhalten (1 + 5 + 1).
• 300€ / 7 Anteile = 42,86€ pro Anteil.
Das Ergebnis: Obwohl der Kurs heute wieder nur bei 100€ steht, sind deine 7 Anteile jetzt 700€ wert. Du hast aus 300€ Einsatz 700€ gemacht (+133% Gewinn), während der Markt "seitwärts" lief. Das ist die extreme Kraft des Cost-Average-Effekts im Crash.
Realitäts-Check: Was dir dein Bankberater verschweigt
Rechner sind geduldig, das echte Leben nicht. Wenn wir über Sparpläne und Cost-Average reden, müssen wir drei externe Faktoren einbeziehen, die deine reale Rendite ("Realzins") fressen.
1. Inflation: Der unsichtbare Gegner
Wenn du einen Sparplan über 30 Jahre machst, klingt eine Endsumme von 500.000€ fantastisch. Aber Vorsicht: Bei einer durchschnittlichen Inflation von 2,5% haben diese 500.000€ in 30 Jahren nur noch eine Kaufkraft von ca. 238.000€ (nach heutigem Wert).
Pro-Tipp: Erhöhe deine monatliche Sparrate jährlich (Dynamisierung), um die Inflation auszugleichen. Wenn du das nicht tust, sinkt deine *reale* Sparrate jedes Jahr. Prüfe das in unserem Inflationsrechner.
2. Steuern: Die Vorabpauschale & Abgeltungssteuer
In Deutschland ist der Zinseszins-Effekt leider durch den Fiskus gebremst.
- Abgeltungssteuer: Realisierst du Gewinne, gehen 25% + Soli (ca. 26,375%) an den Staat. Bei Aktienfonds hast du eine Teilfreistellung (30% steuerfrei), zahlst also effektiv ca. 18,5% auf den Gewinn.
- Vorabpauschale (Wichtig für Sparpläne): Seit der Investmentsteuerreform musst du auch auf *nicht realisierte* Gewinne (thesaurierende ETFs) jährlich eine kleine Steuer zahlen, wenn der Basiszins positiv ist. Das mindert deinen Zinseszins-Effekt leicht, da Geld aus dem Depot abfließt, um die Steuer zu begleichen. Ein guter Rechner sollte das als "Steuer-Drag" berücksichtigen.
3. Transaktionskosten (TER & Ordergebühren)
Der Cost-Average-Effekt funktioniert nur, wenn die Kaufgebühren nicht die kleinen Raten auffressen.
Beispiel: Wer früher bei einer Filialbank für 25€ Sparrate ganze 2,50€ Gebühr zahlte, startete jeden Monat mit -10% Rendite. Heute, im Zeitalter der Neobroker, sind ETF-Sparpläne oft kostenlos. Achte auf die TER (Total Expense Ratio) des ETFs. Ein Unterschied von 0,5% p.a. an Gebühren kostet dich über 30 Jahre tausende Euro an Endkapital.
🔗 Dein Wissensnetzwerk: Finanzen ganzheitlich verstehen
Der Cost-Average-Effekt ist nur ein Werkzeug in deinem Werkzeugkasten. Um wirklich finanzielle Freiheit zu erreichen, musst du verstehen, wie dieses Werkzeug mit anderen Faktoren interagiert.
Das große Ziel: Zinseszins
Der Cost-Average-Effekt ist der "Einsammler" der Anteile, der Zinseszins ist der "Vermehrer". Sieh dir an, was aus deiner monatlichen Rate in 30 Jahren wird.
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