Anleitung & Deep Dive: Warum deine Stromrechnung nicht lĂŒgt (aber dein Auto schon)
Stell dir vor, du fĂ€hrst an eine Tankstelle. Du zapfst 50 Liter Benzin, bezahlst auch fĂŒr 50 Liter, aber durch ein Loch im Schlauch landen nur 42 Liter im Tank. Auf dem Boden bildet sich eine PfĂŒtze. Du wĂ€rst zu Recht wĂŒtend.
Beim Elektroauto passiert physikalisch genau das Gleiche, jeden Tag, in deiner Garage. Nur gibt es keine PfĂŒtze, sondern WĂ€rme. Und es gibt kein Loch, sondern Ineffizienz. Viele E-Auto-Besitzer fallen aus allen Wolken, wenn sie zum ersten Mal einen separaten StromzĂ€hler vor ihre Wallbox installieren. Plötzlich stellen sie fest: "Hey, mein Auto sagt, es hat 15 kWh verbraucht, aber der ZĂ€hler sagt, ich habe 18 kWh geliefert!"
Dieser Ladeverluste-Rechner ist dazu da, diese "Phantom-Kilowattstunden" sichtbar zu machen. Wir analysieren nicht nur, wie viel du verlierst, sondern warum. Denn nur wer das Warum versteht, kann sein Ladeverhalten anpassen und ĂŒber die Lebensdauer des Autos tausende Euro sparen.
Die Anatomie des Verlusts: Wo bleibt der Strom?
Um die Ergebnisse des Rechners zu interpretieren, mĂŒssen wir einen Blick unter die Haube werfen. Der Weg vom Hausanschluss bis in die Lithium-Ionen-Zelle ist steinig. Hier lauern die drei groĂen Energiediebe:
1. Der Umwandler (OBC)
Dein Hausnetz liefert Wechselstrom (AC). Dein Akku speichert Gleichstrom (DC). Der "On-Board-Charger" im Auto muss das umwandeln. Das ist harte Arbeit fĂŒr Halbleiter. Dabei entsteht WĂ€rme.
Verlust-Anteil: ca. 5-10%
2. Das Wachkoma (System)
WÀhrend des Ladens schlÀft das Auto nicht. Batteriemanagement (BMS), SteuergerÀte, Displays und Wasserpumpen laufen. Das sind 150 bis 400 Watt Dauerlast.
Verlust-Anteil: ZeitabhÀngig! (GefÀhrlich bei Schuko-Ladung)
3. Die Leitung (Physik)
Leitungen, Stecker und Kontakte haben WiderstĂ€nde. Wo Strom flieĂt, entsteht WĂ€rme ($I^2 cdot R$). Auch der Akku selbst hat einen Innenwiderstand.
Verlust-Anteil: ca. 1-3%
Der mathematische Hintergrund: Formeln & Fakten
Wir nutzen keine Pauschalwerte, sondern nĂ€hern uns der physikalischen RealitĂ€t. FĂŒr SchĂŒler, Studenten und Technik-Interessierte hier die Formelwerkstatt:
1. Der Wirkungsgrad ($eta$)
Der Wirkungsgrad ist das VerhĂ€ltnis von nutzbarer Energie zu zugefĂŒhrter Energie.
Wobei $P_{ab}$ die Leistung ist, die im Akku ankommt, und $P_{zu}$ die Leistung aus der Wallbox.
2. Die Gesamtkosten-Formel mit Zeitfaktor
Das Kritische ist, dass Verluste oft zeitabhÀngig sind (konstante Nebenverbraucher). Daher ist die Ladedauer $t$ eine entscheidende Variable.
Beispiel: Die "Schnarchlade"-Katastrophe
Lass uns mathematisch beweisen, warum die normale Steckdose (230V, 10A = 2,3 kW) eine Kostenfalle ist.
Annahme: Du willst 50 kWh in den Akku laden. Das Auto verbraucht im Ladebetrieb 300 Watt (0,3 kW) fĂŒr SteuergerĂ€te.
Ladeleistung Netto: ca. 10 kW (bei gutem Wirkungsgrad)
Ladedauer: $50 / 10 = 5$ Stunden.
System-Verlust: $5h * 0,3kW = mathbf{1,5 kWh}$
Hier sind die Nebenverluste minimal.
Ladeleistung Netto: ca. 2,0 kW
Ladedauer: $50 / 2,0 = 25$ Stunden.
System-Verlust: $25h * 0,3kW = mathbf{7,5 kWh}$
Du hast 6 kWh mehr verschwendet, nur weil das Laden lÀnger dauerte! Bei 40 Cent/kWh sind das 2,40⏠pro Ladung verbrannt.
RealitÀts-Check: Was dich die Physik wirklich kostet
Als Experten fĂŒr Web-Entwicklung und Datenanalyse lieben wir es, "Best Case"-Szenarien der Hersteller zu zerlegen. Hier sind Faktoren, die deinen Verlust in der Praxis noch weiter erhöhen.
Der Winter-Faktor (Coldgating)
Lithium-Ionen-Akkus sind Diven. Sie mögen es kuschelig warm (20-30°C). Wenn du im Winter bei -5°C nach Hause kommst und ansteckst, passiert oft Folgendes: Der Strom flieĂt erstmal NICHT in den Akku. Er flieĂt in ein Heizelement (PTC-Heizer), um den Akku auf Ladetemperatur zu bringen.
Der Effekt: Du kannst teilweise 30 Minuten lang mit 11 kW laden, ohne dass der Akkustand (SoC) auch nur um 1% steigt. Du verheizt in dieser Zeit 5,5 kWh Strom. Das sind Ladeverluste von 100% in der AufwÀrmphase.
Tipp: Lade direkt nach der Fahrt, solange der Akku noch warm ist!
Das "Vampire Drain" (Stehverluste)
Streng genommen kein Ladeverlust, aber relevant fĂŒr die Gesamteffizienz: Features wie der "WĂ€chter-Modus" (Sentry Mode) bei Tesla oder stĂ€ndige "Ping"-Abfragen per App verhindern, dass das Auto in den Tiefschlaf fĂ€llt. Das kann 200-300 Watt Dauerleistung ziehen â 24 Stunden am Tag. Das sind Verluste, die dein Lade-Ergebnis verfĂ€lschen, wenn du am nĂ€chsten Morgen auf den ZĂ€hler schaust.
Die 1-Phasen-Falle
Manche Autos (Ă€ltere Hybride) oder falsch eingestellte Wallboxen laden nur auf einer Phase. Viele On-Board-Charger sind aber fĂŒr 3 Phasen optimiert. Nutzt du sie nur einphasig bei geringer Ampere-Zahl, arbeiten sie in einem extrem ineffizienten Lastbereich. Der Wirkungsgrad kann hier auf unter 80% fallen. Du heizt deine Garage dann effektiv mit Strom, statt Auto zu fahren.
đ Optimiere dein Gesamtsystem
Der Ladeverlust ist nur ein RÀdchen im Getriebe. Um deine MobilitÀtskosten wirklich zu senken, musst du das "Big Picture" sehen. Hier sind die Werkzeuge dazu:
Was kostet die kWh wirklich?
Du rechnest mit 30 Cent? Hast du GrundgebĂŒhr und Netzumlagen eingerechnet? Ermittle hier deinen realen Mischpreis.
Wallbox Amortisation
Lohnt sich die eigene Wallbox im Vergleich zum öffentlichen Laden?
Reale Reichweite prĂŒfen
Wenn Ladeverluste hoch sind, ist der "Verbrauch ab Steckdose" höher. Was bedeutet das fĂŒr deine Kosten pro 100km?
Ladeverluste "gratis" ausgleichen?
Mit Solarstrom vom eigenen Dach tun Verluste finanziell weniger weh. Lohnt sich eine PV-Anlage fĂŒr dein E-Auto?