Anleitung: Die Mathematik des 24/7-Betriebs
Einen Server zu betreiben bedeutet, einen Pakt mit dem Stromzähler zu schließen. Anders als dein Gaming-PC, den du abschaltest, wenn du ins Bett gehst, läuft der Server weiter. Jedes einzelne Watt, das du durch falsche Hardware-Wahl verschwendest, summiert sich gnadenlos auf.
1. Die Hardware-Klassen im Vergleich
Bevor du Hardware kaufst (oder alte recycelst), schau dir diese Tabelle an. Sie zeigt den typischen Idle-Verbrauch (Leerlauf), denn ein Heimserver verbringt 95% seiner Zeit im Leerlauf ("Warten auf Anfragen").
| Hardware-Typ | Typischer Idle-Verbrauch | Kosten/Jahr (bei 0,40€) | Urteil |
|---|---|---|---|
| Raspberry Pi 4 / 5 | 3 - 5 Watt | 10€ - 18€ | Perfekt für DNS, HomeAssistant. Schwach bei NAS/Transcoding. |
| Intel NUC / Mini-PC (Modern) | 8 - 15 Watt | 28€ - 52€ | Der Gold-Standard. Beste Leistung pro Watt. |
| Selbstbau NAS (Moderne CPU) | 30 - 50 Watt | 105€ - 175€ | Notwendig für viele Festplatten (Speicher). |
| Alter Gaming-PC (Recycling) | 60 - 100 Watt | 210€ - 350€ | Kostenfalle! Lieber verkaufen und Mini-PC holen. |
| Gebrauchter Enterprise Server (R710/R720) | 150 - 250 Watt | 525€ - 875€ | Nur für Lernzwecke, niemals 24/7 laufen lassen! Laut & teuer. |
2. Das C-State Mysterium (Warum CPUs nicht schlafen)
Moderne Intel/AMD CPUs können extrem sparsam sein (unter 5 Watt im Package), wenn sie in tiefe Schlafzustände (C-States, z.B. C6, C8, C10) gehen dürfen.
Das Problem: Viele Server-Komponenten verhindern das.
- Billige Netzteile: Unterstützen oft keine Low-Power-Idle-States.
- PCIe-Karten: Eine alte 10Gbit-Netzwerkkarte oder ein HBA-Controller (für viele Festplatten) kann verhindern, dass die CPU in den Schlafmodus geht. Der Verbrauch springt von 15 Watt auf 50 Watt, nur wegen einer Steckkarte.
- Software: Falsch konfigurierte Treiber (Linux:
powertopprüfen!) halten die CPU wach.
Speicher & Co: Die versteckten Watt-Fresser
Neben der CPU sind es die Peripheriegeräte, die die Rechnung treiben.
HDD vs. SSD (Der 24/7 Faktor)
Eine SSD (SATA/NVMe) verbraucht im Idle fast nichts (0,1 bis 0,5 Watt). Eine mechanische Festplatte (HDD) muss rotieren (Luftwiderstand der Platter).
HDD 3,5 Zoll (Luft, älter): ~7-9 Watt Idle
SSD 2,5 Zoll: ~0,2 Watt Idle
Die RAID-Rechnung
Wer ein dickes NAS mit 8 Festplatten baut ("Data Hoarder"), hat allein durch die Platten eine Grundlast von:
8 x 7 Watt = 56 Watt.
Das sind 200 Euro pro Jahr nur dafür, dass die Platten sich drehen. Überlege dir gut, ob du wirklich 8 kleine alte Platten nutzen willst oder lieber 2 große neue (weniger Verbrauch).
Tipp: Unraid erlaubt es, einzelne Platten schlafen zu legen (Spin-Down), während ZFS/TrueNAS oft alle Platten gleichzeitig wach hält (Striping). Das Betriebssystem entscheidet über deine Stromrechnung!
USV & Switche
Deine Infrastruktur braucht auch Strom.
• PoE Switch: Ein Switch, der Kameras/APs versorgt, verbraucht selbst Strom für die Wandlung. Rechne mit 5-10 Watt Eigenverbrauch plus Verbrauch der Endgeräte.
• USV (Batterie): Line-Interactive USVs sind effizienter als Online-USVs (Doppelwandler). Eine Online-USV wandelt permanent AC-DC-AC um und hat hohe Verluste (oft 10-15%). Für Zuhause reicht fast immer Line-Interactive oder Offline (Standby).
Realitäts-Check: Wann ist die Cloud billiger?
Die Cloud (VPS bei Hetzner, Netcup, AWS) wirkt auf den ersten Blick teuer (monatliche Abo-Kosten). Aber du zahlst dort keinen Strom und keine Hardware-Reparaturen.
Der Break-Even-Point
Beispiel: Kleiner Webserver / Docker Host
• Cloud (VPS): 2 vCPU, 4GB RAM = ca. 5-6 € / Monat = 72 € / Jahr.
• Home Lab: Mini-PC (Anschaffung 200€) + Strom (15 Watt = 52€/Jahr).
In diesem Fall ist das Home Lab nach ca. 4 Jahren billiger (ROI). Aber: Fällt im Home Lab die SSD aus oder geht das Netzteil kaputt, bist du sofort im Minus. Zudem musst du dich um Backups, USV und Kühlung kümmern.
Fazit: Für kleine Dienste (Webseite, Bitwarden, Uptime Kuma) ist die Cloud oft günstiger und stressfreier. Das Home Lab lohnt sich primär für:
- Große Datenmengen (Nextcloud mit 2TB Fotos -> Cloud Storage ist teuer).
- Privatsphäre (Daten sollen das Haus nicht verlassen).
- Medien-Streaming (Plex/Jellyfin lokal ohne Internet-Limit).
- Lerneffekt (Spaß an der Hardware).
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