Anleitung: So triffst du die Entscheidung deines Lebens rational
Willkommen in der härtesten Realitätsprüfung, die das Internet für Immobilieninteressenten zu bieten hat. Wenn du hier bist, stehst du wahrscheinlich an einem Scheideweg: Sollst du dich auf Jahrzehnte verschulden, um "Herr im eigenen Haus" zu sein, oder bleibst du flexibel und baust dein Vermögen an der Börse auf?
Die meisten Menschen entscheiden aus dem Bauch heraus ("Ich will mir nicht vom Vermieter vorschreiben lassen, welche Fliesen ich habe"). Das ist okay – solange du es als Konsumentscheidung betrachtest, wie den Kauf eines teuren Autos. Aber wenn du glaubst, das Eigenheim sei automatisch die beste Geldanlage, dann musst du jetzt sehr genau hinschauen. Wir analysieren hier Variablen, die dir dein Bankberater vermutlich verschweigt.
1. Das Kaufpreis-Miete-Verhältnis (Der KGV der Immo)
Bevor du überhaupt Zahlen eintippst: Kennst du den Faktor deiner Wunschimmobilie? Teile den Kaufpreis (inkl. Nebenkosten) durch die Jahreskaltmiete einer vergleichbaren Mietwohnung.
- Faktor unter 20: Kaufen ist oft günstiger. (Heute in A-Lagen kaum zu finden).
- Faktor 25: Neutraler Bereich. Es kommt auf die Zinsen an.
- Faktor über 30: Warnstufe Rot. Die Immobilie ist im Verhältnis zur Miete extrem teuer. Du spekulierst hier rein auf extreme Wertsteigerungen in der Zukunft, da die Mieteinnahmen (oder die gesparte Miete) den Kaufpreis kaum rechtfertigen.
2. Die Opportunitätskosten (Der Gamechanger)
Dies ist das Herzstück unseres Algorithmus. Wir vergleichen zwei Avatare:
🧑🔧 Der Käufer (Anton)
Anton nimmt sein Eigenkapital (z.B. 100.000€) und gibt es dem Verkäufer und dem Staat (Nebenkosten). Er hat 0€ im Depot. Er zahlt monatlich seine Bankrate und legt Geld für neue Fenster zurück. Sein Vermögen steckt zu 100% in Steinen.
👩💻 Die Mieterin (Berta)
Berta mietet das identische Haus. Sie nimmt ihre 100.000€ Eigenkapital und steckt sie in ein weltweites Portfolio (ETF). Wenn ihre Miete günstiger ist als Antons Gesamtkosten (Kredit + Instandhaltung), investiert sie die Differenz jeden Monat zusätzlich.
Die entscheidende Frage: Wächst Antons Hauswert schneller als Bertas Aktiendepot? Historisch gesehen liefern Aktien global ca. 7-8% Rendite, Immobilien inflationsbereinigt oft nur 1-2% (plus Lage-Spekulation).
Der mathematische Hintergrund: Formeln lügen nicht
Um das Endvermögen beider Szenarien zu berechnen, nutzen wir komplexe Zinseszins-Reihen. Hier ist die vereinfachte Logik für Transparenz:
1. Endvermögen Käufer ($V_K$)
Wobei $W_{Immo}$ die jährliche Wertsteigerung der Immobilie ist und $n$ die Jahre. Achtung: Wir ziehen hier noch nicht die kumulierten Instandhaltungskosten ab, diese fließen in die Cashflow-Betrachtung ein.
2. Endvermögen Mieter ($V_M$)
Der Mieter profitiert hier massiv vom Zinseszinseffekt auf sein Startkapital.
Mathematischer Deep-Dive: Die Formel für den Endwert einer monatlichen Sparrate $r$ bei Zinssatz $p$ über $n$ Jahre lautet:
$K_n = r cdot rac{12 + 6,5 cdot p}{100} cdot rac{100 cdot ((1 + rac{p}{100})^n - 1)}{p}$
Keine Sorge, das macht der Rechner für dich. Aber du siehst: Zeit ($n$) ist der wichtigste Faktor.
Die 5%-Regel (Faustformel für Schnell-Check)
Viele Ökonomen nutzen die 5%-Regel, um zu prüfen, ob Mieten günstiger ist. Die Kosten des Kaufens ("Cost of Equity" + Zinsen + Instandhaltung) betragen grob 5% des Hauswertes pro Jahr (bei historisch normalen Zinsen).
Regel: Wenn die Jahreskaltmiete weniger als 5% des Kaufpreises beträgt, ist Mieten finanziell oft attraktiver.
Beispiel: Haus kostet 500.000€. 5% davon sind 25.000€/Jahr (= 2.083€/Monat). Kostet das Haus nur 1.500€ Miete, "sparst" du durch Mieten massiv Kapital, das du investieren kannst.
Realitäts-Check: Die stillen Rendite-Killer
In Excel-Tabellen sieht eine Immobilie oft toll aus, weil man dazu neigt, Kosten zu unterschätzen. Hier sind die Faktoren, die dir die Rendite verhageln können – basierend auf echten Marktdaten.
1. Das Klumpenrisiko (Diversifikation)
Als Immobilienbesitzer hast du oft 80-90% deines Vermögens in einem einzigen Asset, an einem einzigen Standort.
- Ändert sich der Bebauungsplan und dir wird ein Hochhaus vor die Nase gesetzt? Wertverlust.
- Zieht ein großer Arbeitgeber aus der Region weg (Strukturwandel)? Wertverlust.
- Kommen neue Gesetze (z.B. Heizungsgesetz, Zwangssanierung EU-Gebäuderichtlinie)? Massive Kosten.
Der ETF-Mieter hingegen besitzt Anteile an 3.000 Unternehmen weltweit. Wenn eine Branche crasht, fangen es die anderen auf. Dieses Risiko wird beim Hauskauf oft nicht "eingepreist".
2. Die Instandhaltungs-Lüge
Viele Rechner setzen pauschal 1€ pro m² an. Das ist lächerlich wenig. Ein neues Dach kostet heute schnell 40.000€ bis 60.000€. Eine Wärmepumpe mit Einbau 30.000€.
Realität: Ein Haus ist ein "abnutzbares Wirtschaftsgut". Ohne massive Re-Investitionen fällt der Wert des Gebäudes langfristig auf Null (nur das Grundstück behält Wert). Wenn du glaubst, dein Haus ist in 30 Jahren doppelt so viel wert, ohne dass du Geld reinsteckst, unterliegst du einer Illusion.
3. Kaufnebenkosten sind verbranntes Geld
In Deutschland sind die Transaktionskosten weltweit mit am höchsten.
Grunderwerbsteuer (3,5% bis 6,5%) + Notar/Grundbuch (2%) + Makler (3,57% bis 7,14%).
Das sind schnell 10% bis 15% on top. Bei 500.000€ sind das 50.000€ bis 75.000€, die weg sind. Sie erhöhen nicht den Wert des Hauses. Du startest dein Investment also mit einem massiven Minus. Der Mieter startet bei Null (oder investiert diese Summe direkt). Bis das Haus diese 15% Wertsteigerung nur um "Breakeven" zu erreichen wieder reingeholt hat, vergehen oft Jahre.
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