Kapitel 1: Die Ökonomie der Speicherung – Der Kampf um den "Spread"
Ein Speicher produziert keine Energie. Er ist kein Generator. Er ist ein Zeit-Verschiebe-Apparat. Er nimmt billigen Strom vom Mittag und macht daraus teuren Strom für den Abend. Damit sich das lohnt, muss die Preisdifferenz (der "Spread") zwischen dem Wert beim Einspeisen und dem Wert beim Bezug größer sein als die Kosten der Speicherung ("Verschleiß").
Die Speicher-Formel des Todes (LCOS)
LCOS (Levelized Cost of Storage) sagt dir, was es kostet, eine Kilowattstunde durch deinen Akku zu jagen.
- Anschaffung (inkl. WR-Aufpreis): 5.000 €
- Kapazität (Netto): 10 kWh
- Zyklen (Garantie/Realität): 6.000
- Wirkungsgrad (Roundtrip): 90%
- Gesamter Durchsatz (Lebensdauer): 54.000 kWh
Speicherkosten pro kWh
Die Gewinn-Rechnung (Der Spread)
Jetzt vergleichen wir die Kosten mit dem Nutzen.
1. Netzbezug vermeiden: Jede kWh aus dem Akku spart dir ca. 35 Cent (aktueller Strompreis).
2. Opportunitätskosten (Der versteckte Verlust): Hättest du die kWh nicht gespeichert, hättest du sie für 8 Cent ins Netz eingespeist (EEG-Vergütung). Dieses Geld entgeht dir.
Dein Brutto-Vorteil: 35 Cent - 8 Cent = 27 Cent.
Dein Netto-Gewinn pro kWh: 27 Cent (Vorteil) - 9,26 Cent (Verschleiß/LCOS) - 3 Cent (Verluste) = 14,74 Cent.
Fazit: In diesem Szenario druckt der Speicher Geld. Aber nur, wenn er lange genug hält und der Strompreis hoch bleibt! Sinkt der Strompreis auf 25 Cent, schmilzt dein Gewinn drastisch.
Kapitel 2: Dimensionierung – Das Sommer-Winter-Dilemma
Der häufigste Fehler beim Speicher-Kauf ist die Gier nach Größe. "Viel hilft viel" ist bei Batterien falsch. Ein Speicher ist totes Kapital, wenn er steht. Er muss arbeiten ("zykeln"), um seine Investitionskosten wieder einzuspielen. Ein Speicher, der nur 100 Zyklen im Jahr macht, hat astronomische LCOS-Kosten.
☀️ Das Sommer-Problem
Die Tage sind lang, die Nächte kurz (ca. 8 Stunden Dunkelheit). Dein Haus verbraucht nachts vielleicht nur 3-4 kWh (Kühlschrank, Router, Standby).
Das Resultat: Ein 15 kWh Speicher wird nachts nur zu 20% entladen. Die restlichen 80% Kapazität stehen ungenutzt herum. Die Batterie altert chemisch (kalendarisch), ohne einen finanziellen Nutzen zu bringen. Du hast für Kapazität bezahlt, die du 6 Monate im Jahr nicht brauchst.
❄️ Das Winter-Problem
Die PV-Anlage liefert bei bewölktem Himmel im Dezember oft nicht einmal genug Strom, um den direkten Hausverbrauch zu decken. Für den Speicher bleibt nichts übrig.
Das Resultat: Der Speicher steht tagelang leer. Schlimmer noch: Er zieht Strom aus dem Netz ("Erhaltungsladung"), um sich vor Tiefentladung zu schützen. Er wird vom Sparschwein zum Verbraucher. Nur an sonnigen Wintertagen (Kaltluft) wird er kurz geladen.
Die Faustformel der Profis
Vergiss die Regel "1 kWh Speicher pro 1 kWp PV". Das ist Verkäufer-Latein.
Orientiere dich an deinem Nachtverbrauch im Sommer (von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang). Das sind bei einem 4-Personen-Haushalt oft nur 4 bis 6 kWh.
Ein kleinerer Speicher (5-7 kWh) wird im Sommer fast leer und im Winter an sonnigen Tagen auch mal voll. Er erreicht 250+ Zyklen pro Jahr. Ein riesiger Speicher (15 kWh) schafft oft nur 150 Zyklen und amortisiert sich nie.
Kapitel 3: Die heimlichen Verluste (Vampir-Strom & Teillast)
Im Datenblatt steht "Maximaler Wirkungsgrad: 98%". Das ist ein Laborwert bei optimaler Auslastung. Die Realität im Keller sieht anders aus. Hier lauern zwei Effizienz-Killer, die oft 20% deiner Energie fressen.
1. AC vs. DC Kopplung: Der Umweg kostet Geld
Batterien speichern Gleichstrom (DC). Das Stromnetz nutzt Wechselstrom (AC). Solarmodule liefern DC.
- DC-System (Hybrid-Wechselrichter): Der Strom fließt vom Dach (DC) direkt in die Batterie (DC). Nur beim Entladen wird er zu AC gewandelt. Effizienz: Hoch.
- AC-System (Batterie-Wechselrichter): Der Strom fließt vom Dach (DC) -> Wechselrichter (AC) -> Hausnetz -> Batterie-Wechselrichter (DC) -> Batterie. Beim Entladen dann wieder zurück zu AC. Dreifache Umwandlung! Effizienz: Mäßig.
2. Der Teillast-Killer (Der 10-kW-Bolide schläft nicht gern)
Viele Hausbesitzer kaufen riesige 10 kW Hybrid-Wechselrichter, um "für die Zukunft gerüstet" zu sein. Das Problem: Nachts braucht dein Haus oft nur 100 Watt (Grundlast).
Rechenbeispiel Teillast:
Hausverbrauch nachts: 100 Watt
Wechselrichter Eigenverbrauch: 40 Watt (um die Elektronik wachzuhalten)
Entnahme aus der Batterie: 140 Watt
Effektiver Wirkungsgrad = 100 W / 140 W = 71%
Fast 30% deiner teuer gespeicherten Energie verpuffen als Wärme im Keller, nur weil der Wechselrichter für diese winzige Last überdimensioniert ist.
Tipp: Achte in den Datenblättern der HTW Berlin (Stromspeicher-Inspektion) auf den Punkt "Wirkungsgrad bei geringer Auslastung". Gute Systeme schalten Teile der Elektronik ab oder haben einen sehr geringen Standby-Verbrauch (<10 Watt).
Kapitel 4: Zellchemie – Warum LFP das einzig Wahre ist
Früher dominierte NMC (Nickel-Mangan-Cobalt), bekannt aus Tesla & Co. Diese Zellen haben eine extrem hohe Energiedichte (viel Strom auf wenig Platz/Gewicht). Das ist im Auto wichtig. Im Keller ist das Gewicht egal.
Heute ist LFP (Lithium-Eisenphosphat) der Goldstandard für Heimspeicher. Und das hat handfeste Gründe:
Sicherheit
LFP-Zellen können chemisch kaum brennen. Selbst bei mechanischer Beschädigung (Nageltest) entsteht kein unlöschbares Feuer ("Thermal Runaway"), sondern nur Rauch. Für einen Speicher im Wohnhaus ein entscheidender Faktor.
Lebensdauer
NMC schafft ca. 1.000 bis 2.000 Vollzyklen bevor die Kapazität auf 80% fällt. Gute LFP-Zellen schaffen 6.000 bis 10.000 Zyklen. Das bedeutet: Der Akku hält theoretisch 20 Jahre und länger.
Ethik & Umwelt
LFP verzichtet komplett auf Kobalt (oft Kinderarbeit im Kongo) und Nickel. Eisen und Phosphat sind billige, weltweit verfügbare Massenrohstoffe. Das macht die Batterien günstiger und moralisch sauberer.
Kapitel 5: Steuergeschenk & Netzbetreiber-Zwang (§14a EnWG)
Deutschland hat die Regeln für Speicher massiv geändert. Das hat Vor- und Nachteile für dich.
Das Geschenk: 0% Mehrwertsteuer
Seit 2023 kaufst du PV-Anlagen und Speicher zum Nullsteuersatz (0% MwSt). Du sparst dir 19% Anschaffungskosten und den ganzen bürokratischen Ärger mit dem Finanzamt (keine Kleinunternehmerregelung mehr nötig). Das verbessert die Rendite sofort um fast 20%.
Die Pflicht: §14a EnWG (Dimmbarkeit)
Seit dem 01.01.2024 müssen alle neuen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (Wallboxen, Wärmepumpen, Kälteanlagen und Speicher) netzdienlich steuerbar sein.
Der Deal mit dem Netzbetreiber:
Er darf: Deine Bezugsleistung im absoluten Notfall (Netzüberlastung) temporär auf 4,2 kW dimmen. Dein Hausstrom bleibt an, aber der Speicher lädt dann langsamer aus dem Netz (falls er das überhaupt tut). Die Einschränkung ist im Alltag kaum spürbar.
Du bekommst: Eine Reduzierung der Netzentgelte.
- Modul 1 (Pauschale): Ca. 110€ bis 190€ pro Jahr (je nach Netzgebiet).
- Modul 2 (Arbeitspreis): Reduktion des Arbeitspreises um ca. 60% (lohnt sich nur bei sehr hohem Verbrauch für Wärmepumpen/E-Autos mit separatem Zähler).
Diese pauschale Rückerstattung von z.B. 150€ pro Jahr verbessert die Wirtschaftlichkeit deines Speichers enorm! Über 10 Jahre sind das 1.500€ geschenktes Geld, nur dafür, dass du eine theoretische Dimm-Funktion zulässt.
Tools zur weiteren Analyse
Erzeugung prüfen
Hast du überhaupt genug Überschuss für einen Speicher? Rechne hier nach.
Speicher auf Rädern
Ein E-Auto hat 60 kWh Speicher. Warum einen 5 kWh Hausspeicher kaufen, wenn das Auto schon da ist (V2H)?
Winter-Strategie
Lade den Speicher im Winter billig aus dem Netz (Tibber), wenn der Wind weht, und nutze ihn morgens.